Sonntag, 5. Dezember 2010
Dramatische Haushaltszahlen trotz mehr Steuereinnahmen
"(…) in der Haushaltsrede meines Ratskollegen und Stellvertreters Stephan Wefelscheid vom 19. Februar diesen Jahres wurden bereits alle maßgeblichen Kritikpunkte zum Haushalt 2010 genannt, die trotz verbesserter Einnahmenseite nach wie vor ihre Gültigkeit haben.
Ergänzend dazu möchte ich die Gelegenheit nutzen, für die BIZ-Fraktion folgende Stellungnahme zu dem vorgelegten Nachtragshaushalt abzugeben:
Zwar weist der Ergebnishaushalt mit "nur" noch Minus 58 Millionen Euro glücklicherweise ein geringeres Defizit aus, als ursprünglich veranschlagt. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass wir nach wie vor weit über unseren Verhältnissen leben.
Ungebremst nimmt der Vermögensverzehr zu und es ist abzusehen, wann das Eigenkapital vollständig aufgebraucht ist.
Die Stadt Koblenz ist weiterhin gezwungen, ihre Liquidität in erheblichem Maße durch kurzfristige Kredite zu sichern. Dies mag heute während der aktuellen Zinsniedrigphase nicht besonders bedrohlich wirken, kann und wird jedoch bei steigenden Zinsen schnell zur Falle werden!
Bei einer laut Aussage des OB steigenden Verschuldung der Stadt von 400 Millionen Euro auf bis zu 800 Millionen Euro werden höhere Zinssätze eine dramatische Sprengkraft für den Haushalt entwickeln!
Hinzu kommt, dass der Teufelskreis der Tilgung von Investitionskrediten über die Aufnahme von Liquiditätskrediten die grundlegende Aufgabenerfüllung der Stadt Koblenz gefährdet. Es fehlt seit Jahren ein schlüssiges Gesamtkonzept, wie die zunehmenden Schulden jemals zurückgeführt werden sollen oder zumindest konsolidiert werden.
Die Ausgabenpolitik der Stadt hat jedes Augenmaß verloren.
Wir haben zu viele Baustellen und zu wenig "Tankstellen" wo Wertschöpfung entsteht, d.h. Einnahmen für die Stadt zu erwarten sind.
Die Großprojekte ziehen neben Zins- und Tilgungsleistung trotz vorübergehender Fördergelder deutlich erhöhte Unterhalts- und Folgekosten nach sich.
Unser neuer Oberbürgermeister, der seit Anfang 2009 kandidierte, Ende 2009 gewählt wurde und Anfang diesen Jahres ins Amt kam, hatte nach eigenen Aussagen genug Zeit, sich auf diese Aufgabe vorzubereiten.
In zahlreichen Interviews kündigte er an, die Schulden abzubauen, die Liquiditätskredite zurückzuführen und Prioritäten zu setzen. Er wollte grundsätzlich "alles auf den Prüfstand stellen".
Im Juni diesen Jahres hat der OB jedoch eine riesige Chance zur Konsolidierung des Haushalts vertan: er hätte das 95 Millionen Euro teure Prestigeobjekt des Kulturbaus stoppen können. Die ADD hatte schließlich den Weg dafür bereitet, in dem sie den Mietkauf für den Kulturbau ablehnte.
Mit dem Ausstieg hätte ein dringend notwendiger Schritt zur Haushaltskonsolidierung von rund 95 Millionen Euro erzielt werden können. Anstelle des Vernunft-Ausstiegs hatte der OB indes eilfertig neue Vertragsmodi ausgehandelt, die das Projekt nun doch möglich machen sollen, die Chance zu finanzpolitisch verantwortlichem Handeln hat er damit vertan!
Der neue OB setzt nicht nur die Zentralplatz-Verschuldungs-Politik seines Vorgängers fort, in dem er das umstrittene Projekt laufen ließ, sondern hatte trotz Ausstiegsmöglichkeit das Projekt erneut in Gang gebracht.
Keine noch so harte Konsolidierungsmaßnahme wird die finanzielle Belastung durch das Zentralplatzprojekt auch nur ansatzweise auffangen, geschweige denn die bestehende Verschuldung zurückführen können.
Die ADD spart in ihrer Haushaltsverfügung zwar nicht mit Kritik lässt aber größere "Haushaltsschäden" zu, weil es die Landesregierung so will, die aber mit 33 Milliarden Schulden selbst ein Sanierungsfall ist!
Hier stellen sich die Fragen: Darf eine Landesregierung auf eine Kommune so viel Druck ausüben? Hätte man hier nicht die Koblenzer direkt fragen sollen?
Hat nicht Stuttgart 21 gezeigt, dass die Menschen an solchen Entscheidungen direkt beteiligt werden wollen, dass sie es nicht mehr hinnehmen wollen, wenn Großprojekte an ihnen vorbei mit "geschätzten" Zahlen durchgedrückt werden und immer teurer werden?
Ist nicht ECE direkt oder indirekt über eine Stiftung auch in Stuttgart involviert?
Auch hier in Koblenz wird die Kritik immer lauter. Viele Bürger stellen sich zunehmend die Frage nach mehr Bürgerbeteiligung und ihnen bleibt der Zusammenhang zwischen Stuttgart 21 und "Koblenz 21" kaum verborgen.
Warum erwähne ich Stuttgart 21 und das Zentralplatzprojekt hier in Koblenz? Weil es uns zu den Problemen des Nachtragshaushalts zurückführt:
In seinem Schreiben an die Ratsmitglieder vom 27.10.2010 rechnet der OB aus den eingeplanten Verpflichtungsermächtigungen von 114 Millionen Euro allein für den Zentralplatz (!) 88,733 Millionen Euro raus!
Neben sinnvollen und lange erwarteten Maßnahmen fast 70 % der neuen Schulden für ein Prestigeobjekt, das sich Koblenz in keiner Weise leisten kann und dem wir auf keinen Fall zustimmen werden!
Wie bei allen öffentlichen Großprojekten ist auch hier eine millionenfache Verteuerung dieses Prestigebaus zu erwarten, die Folgekosten werden aus dem Ruder laufen und die Einnahmen weit unter den Erwartungen bleiben! Der politische Vertrauensschwund nimmt zu!
Die BIZ-Fraktion hat schon bei den Haushaltsberatungen Anfang des Jahres echte Zielvorgaben vorgeschlagen und ist bei dem ehem. OB auf völliges Unverständnis gestoßen.
Wir stehen jederzeit zu echten und zielführenden Beratungen für eine echte Haushaltskonsolidierung zur Verfügung, lehnen aber diesen Nachtragshaushalt ab, weil hier der Wille und die Bereitschaft, zu einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltsdisziplin völlig fehlt!"
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